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Galiziendeutsche

Galiziendeutsche waren Siedler deutscher Herkunft in Galizien in der Habsburgermonarchie ab 1774 und in der Zweiten Polnischen Republik 1919 bis 1939.


Geschichte:
Um 1750 wurden schlesische Tuchweber durch Fürst Stanisław Poniatowski in Zaleszczyki angesiedelt.
Die österreichische Kaiserin Maria Theresia hat gleich nach der ersten Teilung Polens etwa um 1774 in Lemberg die ersten Handwerker aus dem Deutschen Reich ansiedeln lassen. Nach dem Tode der Kaiserin im Jahre 1780 begann unter Kaiser Joseph II. die eigentliche, nach ihm benannte Kolonisation des Landes.

Mit dem Ansiedlungspatent von 1781 wurden die Bedingungen für die Ansiedlung von Bauern und Handwerkern aus dem Deutschen Reich festgelegt. Das betraf vor allem die Zuteilung des Bodens und die Gewährung einer mehrjährigen Steuerfreiheit. Das Toleranzpatent Josephs II. von 1781 ermöglichte erstmals die Ansiedlung von Andersgläubigen im katholischen Österreich. Daraus erklärt sich der hohe Anteil der evangelischen Christen unter den Ansiedlern in Galizien.

Somit sind auch viele von protestantischen Flüchtlingen abstammende Menschen nach Etablierung des Edikt von Fontainebleau aus dem Pfälzischen und Badischen Raum nach Galizien gezogen. Unter ihnen waren auch radikal-reformatorische Mennoniten, die in Galizien in mehreren Siedlungen bei Lemberg lebten: anfänglich in drei Siedlungen: Einsiedel (18 Familien), Falkenstein (7 Familien) und Rosenberg (3 Familien). Später entstanden die Siedlungen: Neuhof alias Weissmanówka (1830), Kiernica (1848), Horożanna (1850), Mostki (1854), Wiszenka (1862), Ehrenfeld-Błyszczywody (1864), Trościaniec im Bezirk Jaworów (1870), Dobrowlany (1871), Lipowce(1872), Podusilna (1872). In den Jahren 1880–1883 wanderte 73 mennonitischen Familien nach Nordamerika aus. 1909 bildeten die Mennoniten die erste und die einzige mennonitische Gemeinde Lemberg-Kiernica.

Die Werber des Kaisers konzentrierten ihre Bemühungen besonders auf die Pfalz und das Saarland, denn dies war eine Gegend im Deutschen Reich, die durch häufige Kriege mit dem Nachbarn Frankreich besonders verarmt war. Auf diese Weise ist zu erklären, dass die meisten der zwischen 1782 und 1785 in Galizien eingewanderten Bauern und Handwerker die pfälzische Mundart sprachen. Diejenigen Ansiedler, die aus anderen Teilen des Deutschen Reiches kamen, bildeten in der neuen Heimat eine Minderheit und sie konnten sich in den nachfolgenden Generationen mit ihrer Mundart nicht durchsetzen.

In der Auswanderungsbewegung des 18. Jahrhunderts spielte auch das als Enklave in der Pfalz gelegene, aber zu Vorderösterreich gehörende Oberamt Winnweiler eine ganz besondere Rolle. Viele Galiziendeutsche stammten entweder direkt aus den Dörfern des Oberamtes oder ließen sich – aus anderen Pfälzer Gebieten kommend – zumindest dort anwerben. In diesem Zusammenhang richtete man in Winnweiler um 1781 sogar eine spezielle Anwerbestelle für Galizienauswanderer ein.

Die meisten Pfälzer zogen zunächst rheinaufwärts bis Speyer und dann zwischen Schwarzwald und Odenwald hindurch bis nach Ulm. Von Ulm aus fuhr man auf der Donau in den sogenannten Ulmer Schachteln bis nach Wien. Die Ulmer Schachteln waren ganz billig hergestellte Boote, die nur in einer Richtung donauabwärts fuhren, denn sie wurden am Ende ihrer Reise als Brennholz verkauft.

Von Wien aus ging die Reise auf dem Landwege weiter. Man zog mit Pferdewagen in größeren Gruppen über Brünn, Olmütz, Mährisch Neustadt, Bielitz bis nach Krakau und von dort weiter in die Bestimmungsorte.

Aus den Ansiedlungslisten der österreichischen Behörden zwischen 1782 bis 1785 geht hervor, dass in diesem Zeitraum 3.216 Familien mit 14.669 Personen nach Galizien zogen. Die Einrichtung der Höfe für die Ansiedler konnte mit diesem Ansturm nicht Schritt halten, so dass ab 1785 die Zahl der Aussiedler beschränkt wurde, denn die in Lagern auf ihre Ansiedlung wartenden Menschen mussten erst auf die Höfe verteilt werden. Dieses dauerte bis 1789 und länger. Aber schon 1790 starb Kaiser Joseph II. und damit endete die sogenannte Josephinische Kolonisation.

Eine zweite Einwanderungswelle unter Kaiser Franz führte weit weniger Menschen nach Galizien.

Ab 1790 begannen sich auch polnische Grundherren für die Aufnahme von Siedlern zu interessieren, denn sie erkannten inzwischen den Nutzen der deutschen und böhmischen Siedler für die Landwirtschaft. So entstand eine größere Zahl von Privatgründungen, die östlich der josephinischen Ansiedlungsgrenze lagen. Siedler wurden ins Land geholt, erhielten gegen eine bestimmte Abgabe Urwald zum Roden und durften das so gewonnene Land als ihr Eigentum landwirtschaftlich nutzen.

1804 wurde eine eigene evangelische Superintendentur für Galizien gebildet.

Nach 1810 gab es noch eine dritte Einwanderungswelle kleineren Ausmaßes aus dem katholischen Egerland, wodurch unter anderem die Orte Machliniec und Mariahilf entstanden. In der Zeit zwischen 1811 und 1848 siedelten private Grundherren vermehrt Bauern und Waldarbeiter aus Böhmen an.[3] Böhmische Siedler zogen etwa nach Smosche (Сможе), Klymez und Tucholka.[4] Nach einer Pest- oder Cholera-Epidemie in der Gegend um Smosche warb der dortige Grundherr Karl Scheiff um 1835 neue Siedler aus Westböhmen an.[5] Er gründete dazu drei neue Dörfer, die er nach sich selbst und seinen Familienmitgliedern in "Karlsdorf" (gegründet 1838), "Annaberg" (nach seiner Ehefrau Anna, gegründet 1835) und "Felizienthal" (nach seinem Sohn Felix, ebenfalls gegründet 1835) benannte.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wanderten insgesamt etwa 27.000 Galiziendeutsche nach Amerika aus. Dadurch verschwanden deutsche Siedlungen, in anderen Orten gerieten die Deutschen durch den Zuzug von Ukrainern und Polen in die Minderheit. Deutsche Schulen und Kirchen mussten geschlossen werden. Dazu siedelten weitere Galiziendeutsche auf Anwerbung der preußischen Regierung nach Westpreußen und Posen aus.

Im Jahr 1900 gab es rund 80.000 deutsche Christen in Galizien. Der Rest der Angaben über deutschsprachige Bewohner in der Volkszählung (über 212.000) waren generell die jiddischsprachigen Juden – Jiddisch galt in Österreich-Ungarn als deutscher Dialekt und seine Sprecher wurden nach etablierter Nationalpolitik als Deutsche gezählt – mit der Ausnahme westlichsten Galiziens, besonders Biała Krakowska, wo die Juden tatsächlich oft Hochdeutsch sprachen.

Um dieser Abwanderung entgegenzutreten, gründete Pfarrer Theodor Zöckler 1907 gemeinsam mit evangelischen und katholischen Deutschen den Bund der christlichen Deutschen in Galizien. Der Deutsche Volksrat für Galizien sollte die Interessen gegenüber den österreichischen Behörden vertreten.[8] 1914 war der Bund der christlichen Deutschen in Galizien in 108 Ortsgruppen aktiv.

Seit 1920 gehörte Galizien zur neu gegründeten Zweiten Polnischen Republik. Die Situation der Galiziendeutschen verschlechterte sich in den folgenden Jahren durch Druck der polnischen Behörden. 1923 wurde der Bund der christlichen Deutschen in Galizien verboten. Der wichtigste Vertreter der Galiziendeutschen blieb Superintendent Theodor Zöckler als Leiter der Evangelischen Kirche A. und H. B. in Kleinpolen.

Nach der Besetzung Galiziens durch sowjetische Truppen wurden Ende 1939 die meisten Galiziendeutschen in das Deutsche Reich umgesiedelt.

Etwa 80 % der Umsiedler aus Galizien sowie Wolhynien wurden auf der sowjetischen Seite in Eisenbahnzügen bis zur Deutschen Grenze gebracht. Um die ganz unregelmäßig und ohne Voranmeldung ankommenden Umsiedler in das Deutsche Reich weiterzubefördern, wurden an den Grenzübergängen Lager errichtet. Um zu verhindern, dass die Lager an der Interessengrenze überbelegt wurden, wurden die Umsiedler nach der Ankunft in Auffanglagern in Łódź, Pabianice, Zgierz und Kalisch konzentriert und dann in vier (eigentlich fünf) Rassebewertungsgruppen unterschieden. Die Umsiedler wurden zu einem kleinen Teil in das Deutsche Reich (Rassebewertungsgruppe IV) und zu einem großen Teil in das Gebiet um Łódź umgesiedelt. Unter dem Druck der Verhältnisse emigrierten insgesamt 54.095 Galiziendeutsche, die meisten siedelten sich im neuen Reichsgau Wartheland an.

1946 gründete Pfarrer Zöckler das Hilfskomitee der Galiziendeutschen A. u. H. B. im Diakonischen Werk der EKD e. V. in Stade. Der Verein gewährte den galiziendeutschen Flüchtlingen Hilfe, sofern sie sich in Not befanden. „Zunächst waren die Aufgaben seelsorgerische, materielle und kulturelle Betreuung der über ganz Deutschland verstreuten Flüchtlinge, z. B. Besuchsdienst, Familienzusammenführung, Hilfe bei Unterkunft, Beratung bei Auswanderungsabsicht usw."

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