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Kolomyja-Baginsberg

Baginsberg war eine landwirtschaftliche deutsche Tochterkolonie, benannt nach der Familie der Landeigentümer Baginski, die dieses Land an die deutschen Kolonisten verkauften. Baginsberg wurde 1818 im Vorort von Kolomyja (Kolomea), dem sogenannten Stanislauer Vorort, gegründet. Die Bewohner arbeiteten in großen privaten landwirtschaftlichen Betrieben und bauten Getreide und Mais an, hielten Groß- und Kleinvieh, Geflügel, bucken Brot und produzierten Konditoreierzeugnisse. Für die Stadtbevölkerung waren Kolonisten die Hauptlieferanten von landwirtschaftlichen Produkten, sie gewannen dadurch das Vertrauen und Ansehen der Städter und galten unter der Bevölkerung von Kolomyja als Vorbild an Emsigkeit und Zuverlässigkeit.
 
Die Siedler kauften für ihre Wirtschaften je 10 Morgen Land. Jeder war verpflichtet, 14 Tage im Jahr Fronarbeit zu leisten, Steuern in Naturalien und in Geld zu entrichten. Für die Schule, das Bethaus und Läden wurden weitere 4 Morgen Land erworben.
Der Bebauungsplan von Baginsberg kopierte den einer anderen Kolonie, Josephsberg, aus der viele Kolonistenfamilien kamen.
 
Schulunterricht wurde am Anfang in einem gemieteten Haus durchgeführt. Das erste Schulgebäude wurde 1832 errichtet. Da aber die Gemeinde sehr schnell wuchs, reichte das Schulhaus für die vielen Kinder in der Kolonie nicht aus. Deshalb wurde es 1856 erneuert und ausgebaut.
 
In der Gemeinde gab es zuerst nur ein Bethaus, in dem sonntags Gottesdienste und Lesungen stattfanden. Zweimal im Jahr kam ein evangelischer Pfarrer aus Tschernowitz. 1855 kauften Philip Kohl und Georg Baumunk als Vertreter der Gemeinde ein Grundstück für den Bau einer Kirche.
 
Die Kirche wurde mit Spenden erbaut. Das Geld kam von befreundeten Gemeinden, Privatpersonen und von der staatlichen Verwaltung. Ein Großteil der Spenden wurde durch den Verein Gustav-Adolf-Werk in Wien, Leipzig, Triest, Schlesien und Galizien gesammelt. Für den Kirchenbau leitete der Staat gewisse Vergünstigungen ein.  Das Holz wurde zum halben Preis von der Forstverwaltung verkauft. Aber die Lieferung von Stein und alle sonstigen Arbeiten musste die Gemeinde selbst übernehmen.  Alle Arbeiten – mit Ausnahme der Malerei, die von Ukrainern ausgeführt wurde – verrichteten Deutsche. Die Kirche wurde am 25. Oktober 1874 eingeweiht. Die Kirchweihe übernahm der damalige Superintendent Jakob Hönel-Biala.
 
Der erste Pastor in Kolomyja war Karl Krkal aus Mähren, er wurde am 17. Februar 1871 gewählt. Nach ihm übernahm den Dienst Friedrich Schadel aus Neu-Sandez 1876 und blieb hier bis 1913. Die Gemeindemitglieder lobten den Fleiß dieses Geistlichen. Er ließ die Kirche mehrmals renovieren, das Haus der Kirchenkanzlei wurde erweitert, es wurden eine neue Orgel und eine neue Turmuhr gekauft.
 
Die Kirchengemeinde Baginsberg-Kolomea gehörte zum helvetischen Seniorat im Bestand des Kirchenverbands des evangelischen Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses (Evangelische Kirche A.u. H. B. in Kleinpolen). Zur Kirchengemeinde Baginsberg gehörten Gemeinden Augustdorf, Bredheim, Neudorf, Tlumatsch, Konstantyniwka, Mykulsdorf, Mohyla, Seweryniwka, Slawyzja und Sitauerowka.
 
1903 wurde in Baginsberg eine Filiale der Raiffeisen Kasse eröffnet. 1908 nahm der Bund Deutscher Christen seine Arbeit auf. 1911 wurde das Deutsche Haus eröffnet.
 
Bei der allgemeinbildenden Schule und der Kirche existierten Anfang des 20. Jh. Musikzirkel, eine Frauengesellschaft, mehrere Chöre, ein Streichorchester und ein Theater. In Baginsberg wurden Kirchenchorfestspiele durchgeführt, an denen Chöre aus Wolynien, Österreich und Deutschland teilnahmen. Gemeinsam mit Bewohnern benachbarter deutscher Kolonien feierte die Jugend das Neujahr, das Gartenfest und das Erntedankfest, hie und da wurden Theateraufführungen veranstaltet. Frauen beschäftigten sich mit verschiedenen Handarbeiten, bis in die 1930-er Jahre besaßen sie noch Spinnräder, fertigten selbst Waren des täglichen Bedarfs – Kissen, Bett- und Tischdecken, Kleidung u. ä. an. Die Familien waren groß und hatten 3 und mehr Kinder.
 
Während des 1. Weltkriegs wurde Baginsberg stark zerstört. Dorfbewohner mussten dreimal in andere galizische Dörfer evakuiert werden oder zogen sogar nach Österreich um. Nach Rückkehr der Dorfbewohner wurden ihre Häuser, die Kirche und Nachbargebäude generalüberholt.
 
1934 lebten in Baginsberg 507 Deutsche.
1940 gab die Kolonie Baginsberg nach Aussiedlung aller Deutschen ihre Existenz auf.

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