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Mariahilf – eine Siedlung der Böhmen-Deutschen

1811 gründeten ehemalige Bewohner des Böhmerwaldes im Südwesten von Kolomyja eine katholische Siedlung Mariahilf. Nach der ersten Welle der Pfälzer Emigration Ende des 18. Jh. begann eine zweite kleinere Welle der Emigration nach Galizien. Das waren deutsche Katholiken aus Westböhmen, teilweise aus Südeger und Plau, Tachau und Pfraumberg, teilweise aus dem Böhmerwald und Prachatitz, Wallern und Kuschwarda. Die Deutschen aus Mariahilf zogen in Tochterkolonien - Flechberg (Gründungsjahr 1842), Rosenheck (1866) und Turka (1930).
Der Name Mariahilf ist am Ehesten mit der schwierigen Reise der Siedler verbunden. Vor ihrer Ansiedlung am Vorort von Kolomyja versuchten böhmische Deutsche ihr Glück an anderen Orten Galiziens und Bukowinas auszuprobieren. Sie haben in einer Glashütte in Lubatschów gearbeitet, denn unter ihnen waren Glasbläser und Holzfäller.
Diese Emigration war eine private Unternehmung von Grundbesitzern und der Stadt Kolomyja. Die Siedler erhielten unentgeltlich Land gegen Verpflichtung, Zinsen von künftigen Einnahmen zu zahlen. In den ersten Jahren mussten sowohl Männer als auch Frauen Wald roden und Sümpfe trockenlegen, um diese Gegend landwirtschaftlich urbar zu machen.
 
Ganz am Anfang wurden 33 Bauernwirtschaften gegründet – mit je 4 Joch Land. Später wurde mehr Land bei den Kolomyja-Einwohnern gekauft und schließlich hatten Mariahilf-Bauern insgesamt 2.200 Joch Ackerland. Die deutsche Kolonie Mariahilf wurde symmetrisch bebaut und wuchs immer weiter, indem sie sich der asymmetrischen Form ukrainischer Landschaft anpasste.
 
In hundert Jahren wurde das Dorf Mariahilf groß und sehr schön. Diese Kolonie zusammen mit anderen deutschen Kolonien um Kolomyja versorgte die Stadteinwohner mit Lebensmitteln – Brot, Fleisch, Milch und sonstigen Nahrungsmitteln.
 
Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude standen zu beiden Seiten der Straße. Eine Besonderheit dieser Siedlung waren große Öfen, die sich außerhalb der Häuser unter einem eigenen Dach befanden. Die Siedler gründeten eine eigene private Grundschule, in der ein Lehrer Kinder in deutscher Sprache unterrichtete. Nach der Eingemeindung von Mariahilf in die Stadt Kolomyja 1902 wurde in der Siedlung eine staatliche polnische 4-Klassen-Schule gebaut, aber man hat auf sie bald verzichtet. Die Bauern konnten sich mit der Polonisierung nicht abfinden und waren bereit, große Opfer zur Wahrung ihres Deutschtums zu bringen. Die Gemeinde kaufte ein Grundstück für den Bau einer neuen deutschen Privatschule und arbeitete auf dem Baugelände, aber es fehlte Geld für Baustoffe. Dann kam der karitative Deutsche Schulverein, den der österreichische Schriftsteller Peter Rosegger unterstützte (Peter Rosegger wurde 1913 für den Nobel-Literaturpreis nominiert), zu Hilfe und mit seiner Spende wurde die Schule fertig gebaut und 1910 feierlich eingeweiht.
Der Schulleiter war über 24 Jahre Jakob Reinpold. Im Gründungsjahr hatte die Schule 2 Klassen, zwei Lehrer und 97 Schüler. Von 1927 bis 1933 funktionierte bei der Schule auch ein Kindergarten.
 
1911 wurden die Raiffeisen-Hilfskassen eröffnet.
Während des 1. Weltkriegs mussten die Bauern evakuiert werden. Einige zogen in Dörfer in Galizien und der Bukowina, manche gingen nach Österreich. Nach ihrer Rückkehr 1917 waren viele Familien obdachlos – ihre Häuser waren entweder zerstört oder abgebrannt während der Kriegshandlungen. Die Obdachlosen wohnten lange Zeit im Deutschen Haus.
Seit 1924 arbeitete die Gemeinde mit dem galizischen Verband deutscher Katholiken (VdK) zusammen. Die Lehrer, die an der Schule tätig waren, kamen hauptsächlich aus anderen galizischen katholischen Gemeinden (Mückenthal, Machlynez, Ernstdorf und Jammersthal) sowie aus der benachbarten Bukowina.
In den 1930-er Jahren begann eine offene Feindschaft der deutschsprachigen Gemeinde mit polnischen Schulinspekteuren, die den Unterricht in polnischer Sprache verlangten.
Doch durch die Bemühungen der Lehrer und der Gemeinde konnten Kinder die deutsche Kultur weiter kennenlernen und ihre Sprache nicht verraten. In den 1920-er und -30-er Jahren funktionierten bei der Schule ein Theater, ein Chor und ein Volkstanz-Zirkel. Gemeinsam mit kulturellen Vereinen benachbarter Kolonien veranstaltete die Jugend weltliche Festspiele und versammelte sich auch zu kirchlichen Festen. Die Weihnachtsfeier 1938 wurde für die deutsche Kolonie Mariahilf das letzte Fest.

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