In der 2. Hälfte der 1780-er Jahre wurden während der Regierungszeit des österreichischen Kaisers Joseph II. bei der Stadt Szczerzec, die seit 1397 über das Magdeburger Stadtrecht verfügte, südlich von Lemberg 7 deutsche Kolonien gegründet: Dornfeld (heute Ternopillja), Lindenfeld (heute Lypiwka), Reichenbach (Krassiw), Neue Chorosno (Chorosno), Einsiedel (Odynoke), Falkenstein (Sokoliwka) und Neu Szczerzec, das später Rosenberg genannt wurde.
Name der Kolonie | Gründungsjahr | Religion | Anzahl der Deutschen 1934 |
Dornfeld | 1786 | evangelisch | 565 |
Lindenfeld | 1788 | evangelisch | >30 |
Reichenbach | 1789 | evangelisch | 165 |
Neue Chorosno | 1785 | evangelisch | 114 |
Einsiedel | 1786 | evangelisch | 119 |
Rosenberg | 1786 | evangelisch | 50 |
Falkenstein | 1785 | evangelisch | 166 |
Das waren landwirtschaftliche Kolonien. Wie der Rest Josephinischer Siedlungen jener Zeit wurden die Kolonien von Szczerzec nach einem festgelegten Plan erbaut und das übernahmen eingeladene deutsche Ingenieure und Handwerker. Die Kolonien hießen „Musterdorf“.
Die Ländereien, wo Kolonien entstanden, wurden durch die österreichische Regierung dem dortigen Großgrundbesitzer und Aristokraten Peter Potocki wegen Verschuldung beschlagnahmt. In den ersten Jahren mussten die Kolonisten in Lagern unterkommen, bis ihre Wohnhäuser erbaut wurden.
Als Umsiedler kamen nach Galizien Deutsche unterschiedlicher Bekenntnisse und Glaubensrichtungen: Katholiken, Lutheraner, Calvinisten und Mennoniten. Die Regierung kümmerte sich um konfessionelle Homogenität der Siedlungen, also bezogen die Kolonien von Szczerzec Lutheraner und nur in Rosenberg siedelte man Mennoniten an. Die Pfarrei für diese Kolonien befand sich in Dornfeld, wo ein Bethaus und etwas später eine Kirche erbaut wurde. Eigene Kirchen und Schulen gab es auch in den anderen Kolonien von Szczerzec. Lehrer und Pastoren in den deutschen Kolonien wurden fast immer vom österreichischen Staat entlohnt.
Die größte Kolonie war Dornfeld. Hier existierte in den 30-er Jahren des 20. Jh. ein Zentrum der deutschen Bewegung in Galizien, hier gab es eine Hochschule, wo Deutsche aus Galizien und anderen Teilen Polens sowie aus Wolynien studierten. In den Wintermonaten funktionierte hier eine Schule für Landwirte, Lehrer aus den deutschen Schulen erhöhten hier ihre Berufsbildung.
Im Dezember 1939 arbeitete in Dornfeld eine sowjetisch-deutsche Kommission für die Umsiedlung der Deutschen ins Dritte Reich.
In den 70-er Jahren des 19. Jh. erlebte Szczerzec einen Wirtschaftsaufschwung, als die Eisenbahnstrecke Lemberg-Stryj gebaut wurde und die Stadt eine Station wurde, wo Züge hielten. In dieser Zeit wuchs die deutsche Bevölkerung zusehends. Deutsche wurden zweimal Bürgermeister von Szczerzec.
Während des 1. Weltkrieges haben Szczerzec und seine Kolonien sehr gelitten wegen der Kriegshandlungen und der russischen Besatzung.
1918 nach der Gründung des polnischen Staates mussten sich Deutsche in die polnische Umgebung integrieren und ihr Leben nach polnischen Gesetzen gestalten. Trotz aller Schwierigkeiten erreichten viele deutsche Familien gewissen Wohlstand dank ihrer angestrengten Arbeit und Sparsamkeit. Auch im gesellschaftlichen Leben betätigten sich Deutsche immer aktiver.
Am 9. Mai 1926 fand auf dem Marktplatz von Szczerzec ein Fest anlässlich der Einweihung neuer Werkhallen statt. Da über 70 % der Arbeiterschaft deutsch war, wurde die Weihe durch den evangelischen Pfarrer, Dr. Fritz Seefeldt, vorgenommen. Zu diesem Fest versammelte sich eine große Menschenmenge, Vertreter verschiedener Konfessionen, um dem deutschen Gottesdienst und dem Gesang des deutschen Chors zuzuhören. Zu der Zeit lebten in Szczerzec über 900 Bürger, überwiegend Juden und Polen. Ukrainer und ungefähr 100 Deutsche stellten eine Minderheit dar.
Szczerzec war zu der Zeit wohl die kleinste Stadt in Polen, aber sie hatte einen eigenen Bahnhof, ein Rathaus ohne Turm, ein Kreisgericht mit einem Gefängnis, eine Gendarmerie, ein Notarkontor, ein Postamt, eine Feuerwehr, zwei Kirchen, eine Synagoge, zwei Friedhöfe, zwei siebenklassige Schulen, zwei Kaffeehäuser, wo auch Eis verkauft wurde. In der Stadt praktizierten einige Ärzte und Rechtsanwälte. Auf dem Marktplatz stand eine Apotheke. Szczerzec konnte als eine Kleinstadt für Händler und Handwerker charakterisiert werden. Der Handel befand sich in den Händen von Juden, sie handelten mit Getreide, Textilien, Schuhen, Häuten und Leder, Büroutensilien und Geschirr. Deutsche Familien unterhielten einen Fleischerladen, eine Bäckerei, eine Limonadenfabrik, die auch Soda und Bier („Onkel Jacob Specht“) produzierte. Deutsche waren auch als Friseure, Schneider, Schuhmacher, Klempner und andere Fachleute tätig.
Ukrainer und Polen verbrachten ihre Freizeit im Volkshaus und im Lesesaal (Czytalnia, Ludowy Dom). Hier wurden Versammlungen, Feste und Bälle veranstaltet und Filme gezeigt, einige Amateurtheater führten ihre Stücke auf. Für deutsche Kinder war die evangelische Privatschule der Kolonie Rosenberg Sammelort. Samstags versammelten sich hier Kinder und lernten deutsche Volkslieder, Gedichte, Spiele und Volkstänze.
1939 kann man ein Schicksalsjahr für galizische Deutsche nennen. Vor dem 2. Weltkrieg begannen Festnahmen von Deutschen in ganz Polen. In Szczerzec fanden ebenfalls Festnahmen statt. Lehrer, Pastoren und andere Gemeindemitglieder wurden ohne Grund festgenommen und in das KZ Bereza Kartuska geliefert.
Nach dem Kriegsbeginn nahm im Dezember 1939 in Szczerzec eine gemeinsame deutsch-sowjetische Umsiedlungskommission ihre Arbeit auf. Frauen mit Kleinkindern, alte und kranke Menschen wurden am 24. Dezember in Güterzügen wegtransportiert. Restliche Bewohner fuhren in den folgenden Tagen auf Leiterwagen und brachten ihr Hausrat mit.