Rozlucz
In der österreichischen Zeit wurden in der Nähe der Stadt Turka südlich von Lemberg in den karpatischen Dörfern Rozlucz, Borynja und Wołcze kleine deutsche Kolonien gegründet.
Dorf | Gründungsjahr der Kolonie | Religion | Anzahl der Deutschen 1934 |
Rozlucz | 1805 | katholisch | 123 |
Borynja | 1818 | katholisch | 141 |
Wołcze | 1805 | katholisch | unbekannt |
Dank seiner Lage im malerischen Tal des Flusses Jasenyzja und einigen Mineralwasserquellen war das Dorf Rozlucz noch in der österreichischen Zeit als Kurort bekannt. Als Anfang des 20. Jh. eine Eisenbahnstrecke verlegt wurde, nahm der Tourismus einen massenhaften Charakter an. 1937 funktionierten im Dorf über zehn Pensionen. Am nördlichen Dorfrand wurde an einem Hügel eine Sprungschanze für den Skisport eingerichtet. Es wurden Privatvillen gebaut, manche davon sind noch heute vorhanden. Im 2. Weltkrieg befand sich das Dorf im Grenzgebiet, also war es als Kurort dem Untergang geweiht.
Die ersten 11 deutschen Familien zogen nach Rozlucz 1805 aus Württemberg (Städte Betra, Ihlingen und Empfingen in der Nähe von Horb am Neckar) und der Pfalz (Bechtolsheim und Gossenweiler) und waren katholisch. Jede Familie erhielt 30 Joch Land. In dieser Zeit wurde bereits der Ausklang der Kolonisationsbewegung von Joseph II. (1781-1785) beobachtet. Aber trotzdem wurde den Siedlern staatliche Hilfe beim Bau von Wohnhäusern und bei der Einrichtung von Produktionsstätten zugesichert. Das Verbot, laut dem die Siedler ihre für die Bewirtschaftung zur Verfügung gestellten Grundstücke weder verkaufen noch aufteilen durften, trug zum Gedeihen der Kolonie über längere Zeit bei. Dadurch verloren benachbarte ukrainische und polnische Bauern, deren Grundbesitz eine Tendenz zur ständigen Teilung hatte. 1830 erweiterte sich die Kolonistensiedlung dank dem Land, das man „Gutsherrschaftlicher Acker“ nannte.
1886 wurde in Rozlucz eine deutsche Privatschule erbaut. Es gab auch ein Deutsches Haus, wo Gemeindeversammlungen und Feste stattfanden und eine öffentliche Bibliothek eingerichtet wurde. 1901 wurde eine eigene Kirche errichtet und 1902 geweiht. Das hohe hölzerne Kirchengebäude wurde im neugotischen Stil gebaut und hatte eine ungewöhnliche Inneneinrichtung in Form von spitzen hölzernen Blitzen, die von der Decke zum Fußboden herunterkommen, die Wände im oberen Teil der Kirche waren himmelblau gestrichen.
1913 bis 1939 gehörte die Kirche zum Pfarrbezirk Turka, dem größten in Galizien: dazu zählten drei Dutzend Dörfer und über 3.000 Gläubige. Als Pfarrer war Pater Ignaz Kulakowski, der auch den Kirchenbau in Rozlucz ins Leben rief.
Deutsche Kolonisten von Rozlucz wurden, wie viele andere deutsche Gemeinden in Galizien, polonisiert – davon zeugt auch die Einrichtung der Kirche (polnisch „kosciol“).
1939 wurden die Bewohner von Rozlucz, Borynja und Wołcze ins Deutsche Reich umgesiedelt. Die Deutschen von Rozlucz kamen zuerst nach Pabianice bei Łódz und später in den sogenannten Bezirk Waterland. Heute sind die Nachkommen der deutschen Kolonistern aus Rozlucz über Deutschland und die ganze Welt zerstreut.